Nordsachsen muss künftig ohne "Paten" auskommen

22. Januar 2015

Landrat Michael Czupalla, CDU-Politiker der ersten Stunde, hat seine altersbedingte Demission bekanntgegeben. Er werde bei der turnusgemäßen Landratswahl Anfang Juni 2015 nicht mehr antreten - nach dann etwas über 25 Jahren. Das nordsächsische Wahlvolk kann davon durchaus überrascht sein. Noch unter der alten Dresdner Staatsregierung ist die gesetzliche Grundlage geschaffen worden, bis ins 8. Lebensjahrzehnt ein solches politisches Amt begleiten zu können. Eigentlich ein Persilschein für einen Landrat Czupalla. Ab August aber ist Schluss. Eine Ära gehe zu Ende - das zumindest titelten regionale Presseerzeugnisse. Eine Ära, bestimmt - gemessen an 25 Dienstjahren, gemessen an einem Vierteljahrhundert Landrat. Eine Ära auch gemessen an politischen Maßstäben?

"Der Pate von Delitzsch"

Im Oktober 2010 schrieb die Hamburger Wochenzeitschrift "DIE ZEIT" über Herrn Czupalla. In dem ihn charakterisierenden Artikel wurde er abwechselnd als "Pate" oder als "uneingeschränkter Herrscher" bezeichnet. Beides nichts, worauf man Stolz sein kann. Als "Pate" wurde er sicher auch wegen seines stilvollen, an einen italienischen Gentleman à la bonne heure erinnernden Auftretens beschrieben. Immer adrett gekleidet, meist mit zur Krawatte passendem Einstecktuch. Ein "uneingeschränkter Herrscher" ist er, weil er in 25 Jahren nahezu widerstandslos "regieren", besser jedoch verwalten konnte. Andernorts herrscht ob des Titels eines uneingeschränkten Herrschers oft helle Aufregung. Nicht so in Nordsachsen. Künftig muss der Landkreis ohne "seinen" Paten auskommen.

Herr Czupalla war erster nordsächsischer Landrat, Landrat eines Kreises, der durch eine Gebietsreform entstanden war, Landrat eines Kreises, der zuvor aus den Altkreisen Delitzsch und Torgau-Oschatz bestand, die wiederum aus kleineren Kreisen hervorgegangen waren. Gebietskörperschaften zu verwalten, die am Kabinettstisch entstehen und damit unfreiwillig zustande kommen, sind nicht leicht zu verwalten. Nordsachsen im Besonderen nicht. Der Landkreis ist pleite, praktisch von Anfang an. Jeder Haushalt seit 2008 war mit heißer Nadel gestrickt, bisher ist es einigermaßen gut gegangen. Aber wie lange noch? Für Landrat Czupalla dürfte der "Absprung" noch rechtzeitig gekommen sein. Er wird Schloss Hartenfels mit erhobenem Haupt verlassen, alles andere wäre untypisch. Aber sein freiwilliger Verzicht war es auch. "Von der gesamten Sache her" wird er zufrieden sein - zumindest mit sich und seinem Spiegelbild.

Regieren mit Bequemlichkeit

Das wiederstandlose Verwalten hat es dem Landrat bequem gemacht. Gegenwird? Fehlanzeige. Einzig das Thema Müll schien geeignet, des Landrats Image zu Schaden. Herr Czupalla aber stürzt nicht über Schwierigkeiten in der Abfallversorgung. Seinerzeit ermittelte die Leipziger Staatsanwaltschaft und eine Sondereinheit gegen Korruptionsbekämpfung. Nach drei Jahren war Schluss. Nicht mit dem Landratsein, sondern mit dem Verfahren. Herr Czupalla geht von selbst, nicht durch des Wählers Willen. Nicht viele schaffen das. Das Loslassen von der "Macht", der Auszug aus der herrschaftlichen Residenz an der Elbe - das alles fällt nicht leicht.

Was bleibt nach Landrat Czupalla? Ein hyperaktiver und omnipräsenter Landrat geht. Der "Pate von Delitzsch" geht, Nordsachsen verliert seinen "uneingeschränkten Herrscher". Landrat Czupalla sei nicht zu ersetzen - behauptet die CDU halb in Trauer. Nordsachsen wird sich einen neuen Landrat wählen - sicher einen von der CDU, der dann weiter verwaltet. Spaß kann das nicht machen - viel Substanz ist nicht da. Es bleibt auf jeden Fall das Heide Spa in Bad Düben - über all die Jahre des Landrats Lieblingsprojekt. In all den Jahren war das Heide Spa eine feste Größe im nordsächsischen Haushalt - auf der Ausgabenseite. Das wird es auch bleiben. Es sei denn, der Neue hat Mut. Es bleibt auch der Versuch, aus den kommunalen Krankenhäusern im Landkreis Geld herauszuziehen - mehr als 20 Millionen Euro soll die Gründung einer Krankenhausstiftung dem ruinösen Haushalt bringen. Geld, was den Krankenhäuser fehlen dürfte. Es bleibt auch das unschöne Unterbringungsproblem für die Asylbewerber. Dafür kann der Landrat nichts. Mit viel Engagement hat er geeignete Unterkünfte gesucht - und nur stellenweise gefunden. Probleme, die Bund und Länder bis zur kommunalen Ebene durchreichen sein nahezu unlösbar, selbst für Landrat Czupalla.

SPD ist "zahme Begleiterin"

Als Landrat hat er das "Prinzip Einbindung" perfektioniert. Hat er jemanden als Gegner erkannt, hat er Widerspruch und Gegenwind aufkommen sehen, hat er dieses Prinzip erfolgreich angewendet - der Schlüssel zum widerspruchslosen Regieren. Hat in all den Jahren prima geklappt, auch bei der SPD. Damals wie heute. "Die Kritik ist dann meist vor der ersten Sitzung schon ausgeräumt", sagte die ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete Liane Deicke seinerzeit der "ZEIT". Kritik an Czupalla hat es also selten in die Öffentlichkeit geschafft. Auch seit 2008 ist die SPD mehr zahme Begleiterin als konsequente Infragestellerin von des Landrats Politik. Dabei hätte Nordsachsens sozialdemokratische Fraktion im Kreistag durchaus die politische Kraft, den Landkreis zu gestalten. Stattdessen verwaltet sie lieber - an der Seite des Landrats. Ein neuer Partner wird sich finden, vielleicht kann er auch widerspruchslos verwalten, vielleicht auch gestalten, vielleicht auch die nächste Gebietsreform abwarten. Irgendwas passiert immer - auch zwischen Schkeuditz und Torgau. Aber es passiert künftige ohne Landrat Czupalla.

Lesen Sie hier: ZEIT-Artikel "Der Partei von Delitzsch"